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40 Jahre dansarts Ballettcentrum Ulm

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/w/d) verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

Nicht nur den tanzbegeisterten Ulmern ist das dansarts ein Begriff. Das Ballettcentrum am Willy-Brand-Platz feiert sein 40-jähriges Jubiläum am 9. und 10. Juli mit einem „Best of“ im Roxy Ulm.

links: Maren Roeske, Leiterin dansarts; rechts: Katharina Krummenacher, Gründerin dansarts

Auch ich hab‘ im dansarts mit gerade einmal 5 Jahren meine ersten Tanzschritte gemacht und es wurde über 10 Jahre ein Stück Zuhause für mich. Deshalb stand auch außer Frage, wo ich weitertanzen werde, als ich vor drei Jahren zurück nach Ulm gekommen bin.

Ich hab‘ mich riesig gefreut, die Gründerin und meine erste Tanzlehrerin Katharina Krummenacher (Cathy) nach so langer Zeit wiederzusehen und mit ihr und der jetzigen Leiterin, Maren Roeske, das folgende Interview zu führen. Viel Spaß beim Lesen!

Cathy, du bist ursprünglich aus der Schweiz, was hat dich nach Ulm verschlagen?

Cathy: Mein damaliger Choreograf Tom Fletcher hat mich ´78 an das Ulmer Theater geholt. Dort war ich ein Jahr lang unter Vertrag und hab‘ einen wilden Mann kennengelernt (lacht). Mein Ex-Mann Klaus hat damals im Wilden Mann gekellnert und ich bin bei ihm geblieben. Nach kurzen Engagements in Bern und Gelsenkirchen meinte Klaus, er möchte einen Raum für sein Fotolabor mieten - ob wir die Räumlichkeiten denn nicht zusätzlich für eine Ballettschule nutzen wollen. Wir haben das dansarts dann 1982 in den Räumen des ehemaligen Arbeitsamtes am Berliner Platz (heute Willy-Brandt-Platz) eröffnet. Wo jetzt die Tribüne für Zuschauer ist, hatten wir sogar anfangs ein Café. Wir haben alles selbst gebaut.

Katharina Krummenacher, Musiktheater im Revier Gelsenkirchen, 1980/1981

Maren: Ich erinnere mich, wie meine Oma erzählt hat, dass sie damals öfters im dansarts Café war und den Tänzern beim Training zugeschaut hat.

Witzig. Das hab‘ ich tatsächlich nicht gewusst. Wie war der Start des dansarts?

Cathy: Sehr gut. Wir hatten schon 50 Anmeldungen, bevor wir aufgemacht haben. Klaus war der Dominante von uns beiden und hat ziemlich offensiv Werbung gemacht. Er war auch derjenige, der meinte, wir brauchen „bekanntere“ Tanzlehrer, damit die Leute zu uns kommen. Wir haben dann Michael Maclain, einen afro-amerikanischen Jazztänzer und damals Tänzer am Ulmer Theater, engagiert.

Gab’s Hürden?

Cathy: Ja, die gab es. Mitte der 90er haben Klaus und ich uns getrennt. Das war hart, weil wir das dansarts zusammen aufgebaut hatten. Er ist gegangen. Die vielen Schulden und Selbstzweifel…ich war nah dran das dansarts aufzugeben. Aber da war plötzlich so eine Kraft in mir und der Gedanke „Wenn ich’s nicht mit dem dansarts schaffen kann, womit soll ich dann überhaupt weitermachen?“. Und plötzlich hat sich alles gefügt. Es wollten immer mehr gute Leute im dansarts unterrichten – wir hatten ein super Team mit Meic Stephan, Ursula Frühe und Beatrice Bitriol-Martin. Die Zeit war reif.

Und es folgten viele erfolgreiche Jahre…

Cathy: Das dansarts Ballettcentrum hat die Ulmer Tanzszene schon geprägt. Wir hatten und haben wirklich sehr gute Lehrer. Und wir haben jedes Jahr ein Bühnenstück aufgeführt, anfangs im alten Ulmer Theater in der Wagnerstraße, später im Roxy: Der Nussknacker, Alice im Wunderland, Der Gestiefelte Kater, Vier Jahreszeiten, Die Puppenfee…

Aus dem Pressearchiv: Artikel in der Neu-Ulmer Zeitung zum 20-jährigen dansarts Jubiläum

Maren: Die Aufführungen sind so essenziell und wertvoll. Die Lehrer und Schüler arbeiten lange Zeit gemeinsam auf ihren Auftritt hin, feilen an der Choreo, überlegen sich Kostüme. Das schweißt zusammen. Ich freu‘ mich deshalb auch so riesig auf unsere Jubiläumsshow am 9. und 10. Juli im Roxy. Vor allem nach den zwei harten Jahren mit Corona tut die Show uns und unseren Schülern einfach gut.

Was ich an der Stelle auch noch sagen muss: Cathy ist viel zu bescheiden. Zu Cathy: Wirklich, du hast so viel geleistet, du kannst stolz auf dich sein!

Das dansarts war auch für mich ein Stück Heimat und hat mich geprägt

Maren: Das macht das dansarts für mich aus. Man hat hier so eine besondere Verbindung, weil man die meisten Schüler über viele Jahre begleitet. Das dansarts ist irgendwie wie Familie. Ich hab‘ selbst im dansarts bei Cathy mit Kindertanz/ Ballett angefangen.

Und später als Lehrerin im dansarts gearbeitet…

Maren: Ja genau, ich hab‘ als Schwangerschaftsvertretung Hip Hop unterrichtet. Als mich eine Kollegin damals gefragt hat, ob ich mir vorstellen könnte, sie zu vertreten, dachte ich im ersten Moment „Was ich? Zwischen den ganzen Profis dort.“ Aber ich hab‘ mich gut eingefügt.

Maren, wie ist dein tänzerischer Background?

Maren: Ich hab‘ nach dem Abitur an der Schule für Tanz, Gestaltung und Theater in Konstanz eine Ausbildung  zur Diplom Tanzpädagogin gemacht. Ich wollte nie etwas anderes als tanzen. 2000 bis 2007 war ich Teil der Showtanzgruppe „Respect“ und seit sieben Jahren bin ich Hauptorganisatorin des Welttanztages in Ulm.

Maren beim Welttanztag Ulm 2015, Foto: SéanDée

Wie kam es dazu, dass du das dansarts an Maren übergeben hast, Cathy?

Cathy: Wir haben im Rahmen der Produktion „Der Gestiefelte Kater“ ein Coaching gemacht. Und eine Frage, mit der wir uns auseinandersetzen sollten, war, wo wir uns in 10 Jahren sehen.

Maren: Cathy meinte irgendwas in Richtung „in einer Hängematte am Strand“ (lacht).

Cathy: Ja und dann stand die Frage im Raum, wer von den Jüngeren sich vorstellen könnte die Nachfolge zu machen.

Maren: Ich kann mich so gut an den Moment erinnern. Keiner hat „hier“ geschrien und ich dachte mir „Hallo? Das kann doch nicht sein. Das ist DAS dansarts in Ulm. Warum schreit nicht jeder sofort hier??“ Und dann hab ich „hier“ geschrien. Ohne nachzudenken. Absolute Bauchentscheidung. Aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass es das dansarts in Ulm nicht mehr geben würde.

Bis zur vertraglichen Übergabe hat es dann aber noch ganze 5 Jahre gedauert

Cathy: Ja, ich konnte nicht loslassen. Das dansarts war meine Existenz, die meiner Kinder. 30 Jahre meines Lebens.

Maren: Wir haben oft diskutiert. Ich wollte natürlich gleich Gas geben, endlich loslegen. Aber im Nachhinein war es gut, dass wir so eine lange Übergangsphase hatten und ich Cathy bei vielen Themen, wie beispielsweise Buchhaltung, über die Schulter schauen konnte.

2015 kam es dann zur Vertragsunterzeichnung…

Maren: Ja, es sind ein paar Tränchen geflossen und Cathy hat mir einen symbolischen „Stab“ übergeben als Zeichen der Führung.

Cathy: Ich glaub‘ ich hab zwei weitere Jahre gebraucht, um mich zu lösen. Ich dachte, ich häng‘ noch in den Wänden drin!

Maren: Du hast ja auch noch jeden Tag unterrichtet. Und ich dachte bei jeder Kleinigkeit, die ich verändert hab‘ darüber nach, was du wohl sagen würdest, wenn du zur Tür reinkommst.

Cathy: „Maren, da hängt ja ein neues Bild. Schön!“ 

Maren: Ja, zum Beispiel (lacht). Aber nein, im Ernst. Ich wollte und möchte das dansarts auch immer noch in Cathys Sinne weiterführen und den „Geist des dansarts“ bewahren.

Der da wäre…?

Maren: Jeder kann und darf tanzen, egal wie groß, klein, dick, dünn…Hier ist Raum für Kreativität. Wir möchten, dass die Kleinsten ihren Spaß am Tanzen finden, ganz frei und ohne „Drill“.

Damals im Kindertanz/Ballett bei Cathy. Der Blondschopf links im roten Body bin ich ;).

Mit meiner Schwester und Lieblingstanzbuddy im dansarts Stück Vivaldi, 1997 (Danke an der Stelle an meine Eltern für die tolle Bilderdokumentation! :* ;))

Was hat sich, seitdem du das dansarts führst, verändert?

Maren: Ich hab‘ definitiv Hip Hop weiter etabliert und ausgebaut. Mittlerweile gibt es 5-6 Hip Hop Gruppen. Wir haben mit Ballett, Jazz, Modern, Contemporary und eben Hip Hop eine sehr breite Range. Die unterschiedlichen Stile sollen auch ihren Platz bei den Aufführungen finden, das ist mir sehr wichtig. Dass sich jeder in seinem Stil mit der passenden Musik wiederfindet, wenn man ihn einem Publikum präsentiert.

Cathy, bist du noch in der Ulmer Tanzszene unterwegs?

Cathy: Ich unterrichte noch einmal die Woche Jazz im dansarts, bei meinen „Golden Girls“, wie Maren sie liebevoll nennt (alle Ü60 und schon viele, viele Jahre dabei). Ansonsten habe ich bei einigen Produktionen von Domenico Strazzeris Company Stradodanza mitgewirkt, übrigens auch ein ehemaliger Schüler von mir.

Er war mein Vorbild in seiner Rolle Coppelius aus dem Ballett Coppelia, in dem er den alten Puppenbauer spielt. Gebückt und ergraut kam er mir hinter der Bühne entgegen und ich dachte „Wow, der kann sich verwandeln und in so eine Rolle switchen”. Seitdem tanze ich gerne Komik, wie zum Beispiel „Commedia dell‘Arte“ im Wasser bei Ulm Moves. Aber ich muss nichts mehr leisten, ich kann meine Energie einfach rauslassen. Es ist wichtig, sich und das Leben nicht zu ernst zu nehmen.


Vielen Dank, liebe Cathy, liebe Maren für dieses wunderschöne Interview mit euch. Auf die nächsten 40 Jahre und mehr dansarts in Ulm!

Anmerkung: Karten für die Jubiläumsshow „Best of dansarts“ könnt ihr vor Ort kaufen im dansarts ballettcentrum, Willy-Brandt-Platz 1, 89073 Ulm.