Im Porträt: Kinderwunschberaterin Natalie Kitterer

Werbung | Dieser Artikel entstand in Kooperation mit Natalie Kitterer.

Natalie Kitterer begleitet und berät Frauen und Männer mit (unerfülltem) Kinderwunsch und ist 1. Vorsitzende im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Kinderwunschberatung (BKiD e.V.).

Foto: Natalie Kitterer

Ein unerfüllter Kinderwunsch kann die Betroffenen emotional und psychisch sehr stark belasten und die Lebensqualität einschränken. Ich habe mich mit Natalie unter anderem darüber unterhalten, was Paare in dieser Situation tun können und ob die Psyche wirklich eine so große Rolle spielt beim Schwanger werden.

Hi Natalie, wie bist du zu dem Beruf der Kinderwunschberaterin gekommen?

Ich habe Sozialarbeit studiert. Zur Kinderwunschberatung bin ich eher durch Zufall gekommen. Ich habe in der Beratungsstelle für Schwangere hier in Ulm gearbeitet und habe dort hauptsächlich im Bereich der Schwangerenberatung (Elternzeit/-geld) gearbeitet. Parallel habe ich dann das Thema Kinderwunsch mit übernommen. Nach meiner Weiterbildung zur Systemischen Therapeutin wollte ich gern mehr therapeutisch arbeiten und habe mich selbstständig gemacht.

Wäre das nicht auch ein Thema für Psychotherapeut:innen?

Ja, auf jeden Fall, wenn eine psychische Erkrankung diagnostiziert werden kann. Bei den meisten Menschen ist die Belastung zwar hoch, aber sie haben nicht unbedingt eine Depression oder ähnliches.

Viele wissen auch gar nicht, dass sie sich mit dem Thema Kinderwunsch an die Schwangerenberatungsstellen wenden können. Ich habe aber die Erfahrung gemacht, dass sich viele Betroffene dort nicht 100% gut aufgehoben oder zugehörig fühlen mit dem speziellen Thema Kinderwunsch.

In meiner Beratung und Begleitung geht es eben hauptsächlich darum und ich biete den Betroffenen einen geschützten Raum, um über ihre Erfahrungen und Emotionen, die damit verbunden sind, zu sprechen und Unterstützung zu bekommen. Was man auch sagen muss: Es gibt in dem Bereich auch sehr wenige Weiterbildungsmöglichkeiten für Therapeut:innen.

Bild: Literatur Kinderwunsch

Ist der unerfüllte Kinderwunsch ein weit verbreitetes Thema?

Auf jeden Fall. Ungefähr jedes sechste Paar ist davon betroffen. Ähnlich wie Fehlgeburten ist der unerfüllte Kinderwunsch leider immer noch ein Tabuthema, mit dem kaum einer so richtig umzugehen weiß.

Gefühlt hat das Thema an Aktualität gewonnen. Woran liegt das?

Ja, das hat es. Das liegt erst einmal schon auch daran, dass man mit dem Thema Schwangerschaft und allem, was dazugehört offener umgeht, wozu sicher auch die Sozialen Medien ihren Teil dazu beigetragen haben. 

Es ist aber auch Fakt, dass sich das Alter der Erstgebärenden immer weiter nach hinten verschiebt. Und mit zunehmendem Alter sinkt die Wahrscheinlichkeit schwanger zu werden. Ab 30 sinkt die Fruchtbarkeit, ab 35 sogar signifikant. Die Wahrscheinlichkeit für eine Frau zwischen 35 und 39 Jahren innerhalb eines Jahres (nicht Zykluses)schwanger zu werden liegt bei 52%. Von 40 bis 44 Jahre liegt sie nur noch bei 36%. Gleichzeitig steigt das Risiko für Fehlgeburten, sodass Schwangerwerden leider nicht heißt 9 Monate später ein Baby in den Armen zu halten.

Auch Männer sind nicht unbegrenzt fruchtbar, wie viele irrtümlich annehmen. Ab 40 wird es auch da schwieriger ein Kind zu zeugen. Die Zahlen sind wissenschaftlich belegt und gelten für die Allgemeinbevölkerung, nicht die Paare mit Einschränkungen. Wenn ein Paar nach einem Jahr mit regelmäßigem, ungeschütztem Verkehr nicht schwanger wird, spricht man übrigens von Intertilität oder Unfruchtbarkeit.

Ich denke jeder kennt Paare im Freundeskreis oder in der Familie, bei denen das Schwanger werden nicht oder nicht so schnell geklappt hat. Wie geht man mit dem Thema sensibel um?

Wenn sich die Betroffenen öffnen, zuhören und einfach da sein. Das reicht schon. Manche meinen, sie müssten Tipps geben nach dem Motto: „Fahrt doch mal in Urlaub und entspannt euch…“ oder sie berichten von ihrer eigenen Erfahrung „Also bei uns hat es geklappt, als…“. Das ist völlig unangebracht. Das Paar hat vermutlich schon alles Mögliche ausprobiert bis es an den Punkt kommt, darüber zu sprechen. Da treffen solche Bemerkungen umso mehr.

Ich empfehle oft, einfach ehrlich zu sagen: „Ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll.“ Denn eine Lösung für das Problem verlangt die-/derjenige ja nicht in dem Moment. Sie möchte einfach gehört werden – wie wir alle.

Mit welchen Erwartungen kommen Klient:innen zu dir?

Viele sagen am Anfang des Gesprächs zu mir: „Ich möchte die Situation gerade so nehmen, wie sie ist und eine andere Haltung dazu finden. So kann es nicht weitergehen.“ Manchmal höre ich auch den Satz: „Ich möchte einfach ein Kind.“ Dann antworte ich verständnisvoll: „Ja, ich weiß. Ich kann Sie leider nicht schwanger machen. Aber ich kann mit Ihnen durch diese schwierige Zeit gehen und Sie dabei unterstützen, dass Sie sich damit besser fühlen und einen anderen Umgang damit finden.“

Bild: Räumlichkeiten Natalie Kitterer

Bild: Räumlichkeiten Natalie Kitterer

Ist an dem Mythos, dass eine positive Psyche Einfluss aufs Schwanger werden hat, etwas dran?

Überhaupt nicht, das ist nicht mit Studien belegt. Meine Gegenthese ist, dass Frauen auch in Krisenzeiten, im Krieg, in Gewaltbeziehungen oder nach Vergewaltigungen schwanger werden. Stressigere und belastendere Situationen als unter diesen schwanger zu werden, gibt es wohl nicht.

Und der Gedanke, eine Schwangerschaft selbst beeinflussen zu können, indem man „ganz einfach“ positive Gedanken hat, stellt zusätzlich einen enormen Druck für die Frauen dar. Es gibt auf der individuellen Ebene keine Erklärung dafür, warum es bei den einen schneller klappt und bei den anderen Jahre dauert, wenn medizinische Gründe ausgeschlossen werden können.

Wenn es auf natürlich Weise nicht klappt, was gibt es für Möglichkeiten?

Zunächst sollten beide Partner:innen abklären lassen, ob es organische Ursachen gibt. Nach leichter Unterstützung mit Hormonen und „Verkehr nach Plan“, dann gibt es als Optionen die künstliche Befruchtung, die Adoption, die Aufnahme eines Pflegekindes oder ein Leben ohne Kind. Wenn es von männlicher Seite nicht klappt, weil er keine oder kaum Spermien produziert, die Samenspende.

Viele sagen zu den Betroffenen auch leichtfertig: „Wenn es nicht klappt mit einem eigenen Kind, dann adoptiert ihr eben eines.“ Das ist ebenfalls so eine Aussage, die wenig empathisch ist. Sich von dem Gedanken und der Vorstellung ein eigenes Kind zu haben, zu verabschieden, und somit auch von seinem geplanten Lebensentwurf, ist ein Trauerprozess. Ähnlich, wie wenn wir jemanden verlieren durch den Tod. Das braucht Zeit zur Bewältigung. Kinderlose Paare sind später übrigens genauso glücklich wie Eltern, zeigen die Studien.

Hast du konkrete Tipps wie man durch die Zeit des unerfüllten Kinderwunsches kommt?

Ich frage die Betroffenen immer, was sie denn gerne machen, woraus sie Kraft schöpfen. Ressourcen aktivieren ist ein großes Thema. Und die Zeit über das Thema nachzudenken, begrenzen. Am besten auf eine bestimmte Zeitspanne am Tag. Je mehr (Tages-)zeit ein Thema einnimmt, umso mehr Raum und Gewichtung geben wir ihm. Und das begünstigt die bekannten Grübelschleifen, die zu keinem Ergebnis kommen. Wenn man mal in so einer gefangen ist, dann gibt es psychologische Tipps, wieder rauszukommen.

Ein weiterer Tipp ist wieder mehr Paarzeit zu nehmen. Viele Paare, die zu mir in die Beratung kommen, erzählen, dass sie so viel streiten zu dem Thema, und normalerweise viel harmonischer sind.

Bild: Landkarte des unerfüllten Kinderwunsches

Verhalten sich Frauen und Männer unterschiedlich, wenn es um das Thema Kinderwunsch geht?

Generell sollte man da nichts pauschalisieren, aber es gibt schon Tendenzen. Ich habe deutlich mehr Frauen in der Beratung. Ich denke Frauen haben generell mehr Gesprächsbedarf und verarbeiten dadurch sehr viel. Männer machen typischerweise mehr mit sich selbst aus und haben andere Bewältigungsstrategien. Oft denken sie aber auch, sie müssen „stark“ sein für die Frau, die offensichtlich mehr leidet. Aus meiner Erfahrung leiden Männer genauso. Nach einer Sitzung sagen die Frauen oft zu ihren Männern: „Das hat so gut getan mal zu hören, dass es dir genauso geht.“

Wir haben jetzt die ganze Zeit eher vom klassischen Paarmodell – Mann/Frau gesprochen. Wie ist es bei anderen Beziehungsformen: Homosexuelle Paare und Singles mit Kinderwunsch?

Bei lesbischen Paaren und alleinstehenden Frauen steht die Samenspende im Fokus, die auch bei heterosexuellen Paaren eine Rolle spielen kann, wenn der Mann unfruchtbar ist. Single Frauen, die ein Kind auf die Welt bringen möchten, gibt es inzwischen auch immer mehr. Ich empfehle offen mit dem Thema Samenspende umzugehen und das Kind über die Samenspende aufzuklären. Ein Kind hat das Recht zu wissen, von wem es abstammt und dieses Wissen ist wichtig für die Identitätsbildung eines Menschen. Es ist wichtig, sich damit zu beschäftigen, dass es da eben einen Erzeuger und damit auch eine weitere genetische Komponente gibt.

Wie ist der Ablauf in deiner Beratung?

Telefonisch, per Mail oder über meine Homepage https://nataliekitterer.de/ kann jemand mit Interesse an einer Beratung ein kostenloses Vorgespräch buchen.
In den Beratungsgesprächen sprechen wir über alles, was für die Person relevant ist: bisherige Erfahrungen, Stand jetzt, Probleme etc. Das kann auch über das Kinderwunschthema hinausgehen.

Wir setzen Ziele fest. Es ist ganz wichtig, sich klar zu machen, was man mit der Beratung erreichen möchte. Danach überlegen wir, wie wir diese Ziele erreichen und was die Person tun kann, damit es ihr mit der Situation besser geht und der unerfüllte Kinderwunsch ihre Lebensqualität nicht so negativ beeinflusst. Bei mir darf alles ausgesprochen werden – völlig wertfrei – und das ist schon der erste Schritt zu einem besseren Wohlbefinden.

Vielen Dank, liebe Natalie, für das interessante und offene Gespräch.

Mehr unter https://nataliekitterer.de/.

Wo? Marlene-Dietrich-Straße 5, 89231 Neu-Ulm
Telefon: 0163-4844906
Email: kontakt@nataliekitterer.de